Und zwar genau so. Genau so, wie der Papierstreifen mit der Duftprobe von Dirt aus der Serie der Duftbücherei - The Library Of Fragrance. "Erinnerung in Flaschen. Wann du willst! wo du willst!" Augen zu und schon hat man das Gefühl, direkt in einer Baustelle zu sein. Der grosse Bruder lässt einen nicht mit dem Lastwagen spielen. Kleine Gummistiefel, die im Dreck steckenbleiben. Eltern, die schimpfen, weil man da nicht spielen darf. The Taste of Dreck.
Unglaublich echt auch "Mushrooms" und "Gras".
Etwas daneben gegriffen haben die Duftkompositeure allerdings bei "Snow" und "Ocean".
Wie auch immer. Das direkte Zusammenspiel von Duft und Erinnerung ist unglaublich.
Aber stellen sich die Macher wirklich vor, dass man diese Alltagsdüfte auch täglich verwendet? Jetzt neu - "das süß-cremige Aroma frisch gebackener Madeleines" der Duft Madeleine.
Nothing is real.

Keine Ahnung, ob dem so ist, schliesslich war ich noch nie in Rotterdam, vielmehr bin ich in der Schweiz. Im Museum für Gestaltung in Zürich läuft die Ausstellung "Nature Design - Von Inspiration zu Innovation". Und eben da präsentiern die Herren
Herzog & de Meuron (ach ja, muss man immer erwähnen: Pritzkerpreisträger) den Duft von Rotterdam. Eine Mischung aus Rhine Water, Dog, Hashish, Algae, Patchonli, Vin Chaud, Fur und Tangerine.
Könnte auch Amsterdam sein. Oder London. Oder Wien. Hängt jedenfalls nach, der Duft.

"Ich kann Ihnen den auch in der Größe verstellen", erklärt die Verkäuferin, während sie an einem Spazierstock herumdreht. "Hier, versuchen Sie es jetzt nochmal." Eine kleine alte Dame kommt hinter einem Regal hervor und greift zügig nach dem Stock. Geht einige Schritte vor, dreht sich um und lächelt. "Isch habe viel zu lang gewartet", meint sie mit allernettestem französischen Akzent. Sie erkundigt sich flüstern nach dem Preis, nickt dann befriedigt und kramt das Geld aus ihrer Tasche. "Isch freue mich. Isch gehe jetzt Apfelstrudel essen. Mit meinem neuen Stock", strahlt sie über ihr selbstbewusst geschminktes Gesicht. Die Rechnung braucht sie nicht - da wird nichts umgetauscht.
Kurz nach ihr verlasse ich das Geschäft.
Wie sie so vor mir herläuft, mit ihrem dunkelbrauen Wollmantel und grauen Mütze und alle paar Meter stehenbleibt, um den perfekten Griff für den Stock zu finden, verschmelzen sie bereits zu einer Einheit.
Der Stock passt perfekt zu dieser Frau.
Ich frage mich, ob jemandem auffällt, dass sie jetzt plötzlich mit einem Stock spaziert. Oder ob dieses Bild - alte Frau mit Stock - sowas von normal ist, dass man sich fragt, warum alte Menschen da eitel sein können. Wie lange sie auf diesen Tag gewartet haben mag?
Ich freue mich mit der glücklichen alten Dame. Hoffentlich vergisst sie ihren Stock nie.